Bilanz ein Jahr Deutschlandticket – Tipps für entspanntes Bahnfahren

Stand: 25.04.2024, 06:00 Uhr

Am 1. Mai 2024 gibt es das Deutschlandticket ein Jahr. Wir haben Andreas Schröder vom Fahrgastverband Pro Bahn NRW interviewt und ziehen Bilanz. Welche Vorteile hat es gebracht, aber auch welche Nachteile? Und mit welchen Tipps kann man die Bahn ganz entspannt nutzen?

Sind die Züge seit Einführung des Deutschlandtickets voller geworden?

Ja, die Züge sind allgemein voller als früher. Das gilt besonders zwischen Ballungsräumen und auch auf touristischen Linien zu bestimmten Zeiten. Vor allem langlaufende Regional-Express-Linien (z.B. Rhein-Ruhr-Express) sind sehr populär geworden. Es kommt zur Verlagerung von Fahrgästen vom Fernverkehr hin zum Regionalverkehr.

Nehmen Verspätungen und Zugausfälle immer mehr zu?

Anzeigetafel "Min. später"

2023 war ein Rekordjahr der Verspätungen bei der Bahn.

2023 war erneut ein Rekordjahr der Verspätungen bei der Bahn. Nur noch zwei von drei Zügen sind pünktlich. Im Westen von Deutschland ist es noch schlimmer. Der Fernverkehr ist am schlimmsten betroffen. Der Nahverkehr nicht ganz so schlimm.

Hat das Deutschlandticket auch einen Anteil an den Verspätungen, weil durch vollere Züge das Ein- und Aussteigen länger dauert?

Langes Ein- und Aussteigen bei vollen Zügen ist mit ein Verspätungstreiber. Das sind „Verzögerungen im Betriebsablauf“. Das 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 hat die Verspätungsstatistik verschlechtert. Aber das Deutschlandticket führt zu nicht so vielen übervollen Zügen wie das 9-Euro-Ticket.

Die Bundesregierung will mehr Leute von Auto und Flugzeug in die umweltfreundlichere Bahn bringen. Kann das überhaupt funktionieren, wenn schon jetzt so viele Züge übervoll sind, Verspätung haben und ausfallen?

Das wird schwierig. Die Verkehrswende ist in Gefahr, weil die Eisenbahn einfach schlechte Leistung anbietet. Das System ist unzuverlässig und nicht komfortabel für Kunden.
Enge, Stress und Sicherheitsbedenken halten Fahrgäste davon ab, sich dauerhaft auf den Nahverkehr zu verlassen.

Ein Jahr Deutschlandticket

Hier und heute 25.04.2024 05:45 Min. Verfügbar bis 25.04.2026 WDR

In NRW gilt ja die Mobilitätsgarantie NRW, ein freiwilliger Service der Verkehrsunternehmen in NRW. Was genau beinhaltet diese Mobilitätsgarantie?

Das Bild zeigt einen fahrenden Zug.

Verspäten sich Bus oder Bahn um mindestens 20 Minuten, kann man kostenlos einen anderen Zug nehmen.

Verspäten sich Bus oder Bahn um mindestens 20 Minuten, kann man alternativ einen IC oder ICE nehmen. Aber es ist Vorkasse fällig. Wenn der Fahrgast in einen Fernverkehrszug der Deutschen Bahn einsteigt, sollte in jedem Fall rechtzeitig ein gültiger Fahrschein erworben werden, notfalls direkt beim Kontrolleur. Im Anschluss kann der Fahrgast innerhalb von 14 Tagen die Erstattung durch die Mobilitätsgarantie NRW per Formular digital beantragen. Nach 14 Tagen verfällt der Anspruch. Der Fahrgast kann aber auch ein Taxi nehmen, das bis 30 Euro und abends sogar bis zu 60 Euro erstattet wird. 

Gilt die Mobilitätsgarantie NRW auch für das Deutschlandticket?

Die Mobilitätsgarantie NRW gilt auch für das Deutschlandticket für Verbindungen in NRW. Hier gibt es genauere Informationen:

Aber es sollte in jedem Fall rechtzeitig ein gültiger Fahrschein erworben werden, notfalls direkt beim Kontrolleur. Im Anschluss kann der Fahrgast innerhalb von 14 Tagen die Erstattung durch die Mobilitätsgarantie NRW per Formular digital beantragen. Nach 14 Tagen verfällt der Anspruch. Die Mobilitätsgarantie gilt für Taxis und Fernverkehrszüge der DB DEUTSCHEN BAHN, so steht es auf der Internetseite der Mobiltiätsgarantie! Somit gilt die Garantie nicht für private Schnellzug-Betreiber wie Flixtrain und Thalys/Eurostar-Fernzüge.

Tipps und Tricks für entspanntes Bahnfahren

  • Mittlerweile gibt es bei Zügen im Fernverkehr eine Auslastungsanzeige, die halbwegs verlässlich ist. Die kann man sich bei der Buchung anschauen
  • Außerdem kann man Sitzplätze im Fernverkehr reservieren
  • Wenn man volle Wagen meiden will, ist es empfehlenswert am Ende oder Anfang vom Zug einzusteigen. Die meisten Fahrgäste steigen in der Mitte ein

Fazit von Andreas Schröder nach einem Jahr: Ist das Deutschlandticket ein voller Erfolg?

Andreas Schröder, Fahrgastverband Pro Bahn - Vorsitzender des Landesverbands NRW

Andreas Schröder sieht ein Defizit im deutschen Nahverkehr.

Es ist eine positive Tarif-Revolution, die einfache und einheitliche Regeln in Deutschland schafft und damit den Tarif-Dschungel beendet. Die Verkaufszahlen sind in Ordnung, aber es gibt noch viel zu wenige Job-Tickets, da ist noch ein riesiges ungenutztes Potenzial. Das große Problem bleibt aber: Wir haben in Deutschland ein Defizit mit der Qualität des Nahverkehrs. Wir müssen mehr in Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Sauberkeit investieren.

Ist das Deutschlandticket für jeden die günstigste Möglichkeit zu reisen oder gibt es andere Tickets, die für bestimmte Personengruppen oder in bestimmten Regionen günstiger sein können?

Wochenendtickets, Ländertickets, Gruppentickets können je nach Situation günstiger sein als ein Abo. Und sie sind auch weniger aufwendig zu kaufen als der Abschluss eines Abos. Für Gelegenheitsfahrer, Ausländer, Gäste etc. kommen andere Tickets in Betracht. Es lohnt ein Blick auf die Sparpreise im Fernverkehr von Deutsche Bahn und Flixtrain. Dort gibt es häufig gute Angebote, wenn man früh bucht.

Wann wird das Bahnfahren wieder angenehmer mit weniger Verspätungen und Zugausfällen?

 Uns steht ein Jahrzehnt mit vielen Baustellen bevor. Das Netz ist das Problem und der Engpass. Immerhin gibt es immer mehr neue Züge, die Komfort bieten. Zum Beispiel die vielen neuen ICEs und auch die Rhein-Ruhr-Express-Züge. Da hat sich einiges getan. Viele Bahnhöfe in NRW wurden in den letzten Jahren modernisiert. Münster und Wuppertal haben tolle Empfangsbereiche bekommen. Dortmund und Duisburg werden auch deutlich angenehmer. Die Schmuddelkinder sind eher kleine, veraltete S-Bahn-Stationen.